Geschichte Tansanias


Olduvai SchluchtWenngleich der Staat Tansania - vormals Tanganyika - in seinen heutigen Grenzen erst vor wenigen Jahren (1961) entstand, so reichen die Spuren frühmenschlicher Existenz in Ostafrika Millionen Jahre zurück. Die britischen Paläontologen Louis und Mary Leakey sowie ihr Sohn Jonathan fanden 1959 und in den Folgejahren in der berühmten Olduvai Schlucht im Nordosten Tansanias Knochen von Hominiden, deren Alter auf 2 Millionen Jahre datiert werden konnte. Tansania gilt seitdem als eine der Wiegen der Menschheit.

Frühgeschichte und Völkerwanderungen
Ab etwa 1000 v. Christus - teilweise auch sehr viel früher - fanden im Inneren Afrikas umfassende Völkerwanderungen statt. Auch die Region des heutigen Tansania war davon betroffen, bis dahin nur spärlich von nomadisch als Jäger und Sammler lebenden Buschmann Gruppen bewohnt.

MassaiDie Zuwanderung erfolgte aus verschiedenen Richtungen. Aus dem Nordosten - vom Horn von Afrika, aus Äthiopien und den benachbarten Regionen - kamen nomadische Hirtenvölker der kuschitischen Sprachfamilie. Aus Westafrika drangen Bantu Völker nach Tansania und mischten sich mit den anderen Völkern. Um 1500 n. Christus kamen nilotische Völker aus dem Norden, vom Oberlauf des Nils, insbesondere dem heutigen Sudan. Diese Niloten waren überwiegend halbnomadisch lebende Viehzüchter auf der Suche nach Weideflächen für ihre Viehherden. Die im Norden Tansanias lebenden Massai zählen zu den Nachfahren dieser nilotischen Ethnien. Aus dem Süden wanderten schließlich Nguni Völker (Zulu und Swazi) hinzu, die sich vorwiegend im Süden Tansanias niederließen.

Aus den arabischen Sultanaten Oman, Jemen und Hadramaut gab es ab dem 8. Jahrhundert n. Christus einen steten Zustrom von Arabern, vor allem in die Küstenregionen Tansanias inklusive der vorgelagerten Inseln Pemba und Sansibar. Die Araber gründeten Handelsniederlassungen und kontrollierten von dort aus die Karawanenrouten ins Landesinnere. Handelsgüter waren im wesentlichen Elfenbein, Edelsteine, Gold sowie Gewürze. Besonders lukrativ war zudem der florierende Handel mit Sklaven, die nach Arabien und viele andere Länder verkauft wurden. Die Araber verbreiteten den Islam und vermischten sich vorwiegend mit den Bantu Völkern an der Küste. Die heute dort lebenden islamisch geprägten Ethnien in Tansania, Swahili und Shirazi, sind die Nachfahren dieser Vermischung.

Portugiesen, Araber und die vorkoloniale Epoche
Nachdem im Jahre 1498 der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama das Kap der Guten Hoffnung umschifft hatte, begann die Seemacht Portugal sich für die Küsten Ostafrikas zu interessieren, da man Stützpunkte für den Ostindien Handel benötigte. Portugal eroberte im 16. Jahrhundert etliche Niederlassungen der Araber an der Küste des heutigen Tansania inklusive der Inseln Sansibar und Pemba. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gelang es den mächtigen Sultanen von Oman mit ihrer mittlerweile überlegenen Flotte jedoch, die Portugiesen nach Süden zurück zu drängen. Sämtliche Besitzungen in Tansania fielen sukzessive zurück in die Händer der Araber. Lediglich Mozambik verblieb den Portugiesen als spätere Kolonie.

1840 verlegte der Sultan von Oman, Sayyid Said bin Sultan Al-Said, seinen Regierungssitz nach Sansibar. Die Araber drangen in den Folgejahren von den Küstenregionen immer tiefer in das Hinterland des heutigen Tansania vor. Die Expansion wurde begünstigt durch die Zerstrittenheit der zahlreichen afrikanischen Stämme und Ethnien. Lediglich die Massai im Norden sowie die Nguni im Süden leisteten den Arabern entschiedenen Widerstand.

Den Arabern ging es bei ihrer Ausbreitung auf dem Binnenland des heutigen Tansania weniger um die Kolonisierung des Landes als primär um die Ausweitung ihres Handels mit Elfenbein, Edelsteinen und Sklaven sowie der Sicherung der dafür nötigen Karawanenrouten.

Deutsch-Ostafrika
Tansania und die Nachbarländer Burundi und Ruanda - jedoch nicht die Inseln Sansibar und Pemba - waren zwischen 1890 und 1918 die vierte Kolonie des deutschen Kaiserreichs (nach Togo, Kamerun und Deutsch-Südwest). Die Kolonisierung war zuvor von der privaten "Gesellschaft für deutsche Kolonisation" und ihrem umtriebigen Gründer Dr. Carl Peters vorbereitet worden. Seit 1884 reiste Peters emsig durch das Land und schloss dubiose Freundschafts- und Schutzverträge mit den lokalen Stammesführern und Königen ab. In den Verträgen wurde vor allem Schutz vor den Sklavenhändlern versprochen. Im Gegenzug traten die lokalen Herrscher die Hoheitsrechte über ihre Stammesgebiete an die "Gesellschaft für deutsche Kolonisation" ab, in der Regel, ohne sich über die Bedeutung und Konsequenzen im Klaren zu sein. 1885 unterrichtete Peters den Reichskanzler Bismarck in Berlin über seinen umfangreichen Landerwerb und bat um den Schutz des Deutschen Reiches, das seinerzeit großes Interesse an der Erweiterung seiner eher bescheidenen überseeischen Besitzungen hatte. Trotz des Protests des Sultans von Sansibar, der seine Hoheitsansprüche und wirtschaftlichen Interessen auf dem Festland gefährdet sah, willigte der Kaiser ein und entsandte mehrere Kriegsschiffe nach Sansibar, um die Entschlossenheit des Deutschen Reichs sichtbar zu machen. Die Kolonie "Deutsch-Ostafrika" wurde proklamiert, und um den Sultan von Sansibar zufriedenzustellen, wurde ihm ein 16 Kilometer breiter Küstenstreifen als besonderes Einflussgebiet zuerkannt.

histpeople kDer Afrika-erfahrene Major Hermann von Wissmann wurde als Reichskommissar und späterer Gouverneur eingesetzt. Doch die Kolonisierung des riesigen Landes - von Osten nach Westen sind es immerhin mehr als 1000 Kilometer, von Süden nach Norden sogar mehr als 1500 Kilometer -  lief zunächst sehr schleppend. Es fehlten Straßen und Verkehrswege, vor allem im Landesinneren. Auch gab es keine Fernmeldeverbindungen und kein funktionierendes Postwesen. Immer wieder erlebte man stattdessen Überfälle und Aufstände verschiedener Stämme und Völker. Auf Grund der schlechten Sicherheitslage gelang es nicht, genügend Siedler anzuwerben, die sich in Deutsch-Ostafrika niederlassen wollten. Auch das harsche Klima und Tropenkrankheiten wie Malaria, Gelb- und Schwarzfieber schreckten Auswanderungswillige ab.

1904 wurde mit dem Bau einer zentralen Eisenbahnlinie von Dar es Salaam nach Kigoma am Tanganyika See begonnen (Ostafrikanische Zentralbahn, Fertigstellung 1914), was bei den ersten Siedlern Hoffnungen weckte. Doch die landesweiten Maji-Maji-Aufstände der einheimischen Bevölkerung im Folgejahr machten alle Hoffnungen zunichte. Die blutige Rebellion konnte erst 1907 nach Verstärkung der "Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika" und Ausrüstung mit Maschinengewehren mit massiver Gewalt niedergeschlagen werden.

Ab 1908 beruhigte sich die Sicherheitslage im Lande zunehmend. Die Kolonialverwaltung schloss Schutzverträge mit verschiedenen Stammesführern ab und gewährte eine Reihe von Privilegien. Weitere Eisenbahnlinien wurden in Angriff genommen bzw. fortgeführt, insbesondere die Usambarabahn von der Hafenstadt Tanga nach Arusha am Kilimandscharo. Forts und Stützpunkte entstanden im Landesinneren, meist entlang der Karawanenrouten. Die Hafenstädte Tanga und Dar-es-Salaam wurden ausgebaut und regelmäßige Schiffsverbindungen nach Deutschland eingerichtet. Erstmalig kamen Siedler in nennenswerten Zahlen aus Deutschland ins Land, angelockt durch Landschenkungen und andere Vergünstigungen. Die meisten Siedler erhofften sich in der Kolonie einen Neuanfang als Plantagenbesitzer. Marktorte wurden gegründet. Entlang der Bahnlinien entstand eine Plantagenwirtschaft, und die Kolonie Deutsch-Ostafrika konnte schon bald eine Reihe von Agrarprodukten wie Kaffee, Erdnüsse, Kautschuk, Baumwolle, Palmöl und Sisal ausführen. Die harte Arbeit auf den Plantagen wurde von der einheimischen Bevölkerung zu Minimallöhnen verrichtet. Per Gesetz waren sie gezwungen, Steuern in bar an die Kolonialverwaltung zu zahlen, was nur durch Lohnarbeit bei den Plantagenbesitzern möglich war.

Die kurze Blütezeit der Kolonie kam 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Stillstand. Unter dem Kommando des südafrikanischen Generals Jan Smuts drangen alliierte Truppen von mehreren Seiten nach Deutsch-Ostafrika ein. Obwohl die Alliierten um ein Vielfaches überlegen waren, hielt die Deutsche Schutztruppe unter General Paul von Lettow-Vorbeck erfolgreich stand. Nach 4 Jahren zähem Buschkrieg ergab sich der General mit seinen Offizieren und einheimischen Askari Soldaten Ende November 1918, einige Tage nach Ende des Ersten Weltkriegs.

Tanganyika unter britischem Mandat
Deutsch-Ostafrika fiel nach dem Krieg an die Siegermächte und wurde aufgeteilt. Ruanda und Burundi fielen an Belgien, während das Festland des heutigen Tansania als "Tanganyika Territory" britisches Mandatsgebiet wurde (1921 - 1961). Die Briten führten ihr eigenes Verwaltungs-, Rechts- und Bildungssystem ein, zugleich aber unterstützten Sie - ihren langen Erfahrungen als Kolonialmacht folgend - die weitgehende Selbstbestimmung der lokalen afrikanischen Herrscher im Lande, die dadurch ihr Ansehen bei ihrem Volk erhalten konnten und so eher willens waren, zu Frieden und stabilen politischen Verhältnissen beizutragen.

Julius NyerereDennoch wurde, wie in vielen anderen Kolonien in Afrika auch, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Ruf nach Unabhängigkeit unüberhörbar. Der junge charismatische Lehrer, Katholik und Sozialist Julius Kambarage Nyerere - er hatte in Großbritannien studiert - wurde zum Sprachrohr der tansanischen Freiheitsbewegung. 1954 gründete Nyerere die "Tanganyika African National Union" (TANU), deren primäres Ziel es war, Tanganyika auf friedlichem Wege in die Unabhängigkeit zu führen.

Das unabhängige Tansania
Nach langjährigen Verhandlungen mit Großbritannien sowie mit der UN wird Tanganyika 1961 unabhängig. Julius Nyerere wird Premierminister und Staatspräsident. Zwei Jahre später werden auch die Inseln Sansibar und Pemba in die Unabhängigkeit entlassen, und 1964 werden sie mit dem Festland zur "United Republic of Tanzania" vereinigt. In der Verfassung wird ein präsidiales sozialistisches Einparteiensystem festgeschrieben, die TANU wird alleinige staatstragende Volkspartei. Der 1965 wiedergewählte Julius Nyerere verstaatlicht kurz darauf Banken und andere wichtige Wirtschaftsunternehmen sowie den gesamten Rohstoffsektor. Er ist getragen von der Utopie eines afrikanischen Sozialismus, basierend auf Werten wie Gleichheit und Brüderlichkeit in der traditionellen afrikanischen Dorfgemeinschaft. Besitz - insbesondere Landbesitz - ist Besitz der ganzen Dorfgemeinschaft. Klassenunterschiede, basierend auf dem Besitz von Produktionsmitteln, gibt es nicht. Auf Grund dieser "Ujamaa" Doktrin lässt Nyerere rund 8000 Kibbuz-ähnliche Ujamaa Dörfer in Tansania gründen, in die die Bevölkerung - zum Teil unter Zwang - umgesiedelt wird, um nach den sozialistischen Idealen zu leben und zu arbeiten.

Ali Hassan MwinyiDer Traum dieses afrikanischen Sozialismus geht leider nicht in Erfüllung. Nach anfänglichen Erfolgen sinkt die landwirtschaftliche Produktion mehr und mehr. Schon bald müssen Lebensmittel importiert werden, was die Devisenreserven des Landes rasch schrumpfen lässt. Ausländische Hilfen und Investitionen bleiben aus. 1978 fällt der ugandische Diktator Idi Amin unerwartet in Tansania ein und besetzt den Nordwesten des Landes. Es beginnt ein brutaler, barbarischer Krieg. Erst ein Jahr später ist die "Tanzania People's Defence Force" - unterstützt von den Soviets und von Libyen - in der Lage, die ugandischen Invasoren zurück zu schlagen.

Der Krieg gegen Uganda verschlimmert die wirtschaftlichen Probleme des bereits hochverschuldeten Staates. Steigende Ölpreise beschleunigen den Verfall. Außerdem entfällt eine wichtige Einnahmequelle, da die Kupfererz Exporte aus Sambia nicht mehr über Dar es Salaam sondern über angolanische Häfen verschifft werden. Der wirtschaftliche Bankrott Tansanias ist unaufhaltsam. Nyerere erkennt sein sozialistisches Experiment als gescheitert. Auf Druck der Weltbank und des IWF übergibt er 1985 schließlich die Macht an den aus Sansibar stammenden Parteigenossen Ali Hassan Mwinyi, der einen radikalen Kurswechsel einleitet und Tansania in eine Mehrparteien Demokratie mit marktwirtschaftlicher Ausrichtung transformiert.